10. Januar 2010

Die Versuchung ist zu groß und unsere Armut zu bitter

----------------------------------------------------------------------------------------
Der Besuch der alten Dame - Friedrich Dürrenmatt
Maxim Gorki Theater Berlin in Kooperation mit dem Staatsschauspiel Dresden
Regie: Armin Petras
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Katja Strohschneider
Musik: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel
Video: Niklas Ritter
Dramaturgie: Jens Groß, Ludwig Haugk
mit: Stefko Hanushevsky, Christine Hoppe, Berit Jentzsch, Andreas Leupold, Wolfgang Michalek, Anne Müller, Matthias Reichwald, Gunnar Teuber, Sabine Waibel
Premiere Staatsschauspiel Dresden: 12.12.2009, MGT Berlin: 09.01.2010

----------------------------------------------------------------------------------------
Das von Dürrenmatt 1956 verfasste Stück über die Abgründe sozialer Bande, die sich beim Anblick von genügend Cash in Luft auflösen, versetzt Armin Petras in seiner Inszenierung - ganz im Geiste des 20-jährigen Jubiläums - in die Nachwendezeit. Ein verarmtes Dorf in Ostdeutschland erhält Westbesuch: Clara (Christine Hoppe), eine ehemalige Bewohnerin, die es rechtzeitig herausgeschafft hat und mittlerweile zu einer Multimilliardärin und einem Star geworden ist. Vergessen ist, dass sie vor 30 Jahren als Hure gebrandmarkt das Dorf verlassen hat - die Gemeinde begrüßt sie mit Blumen und Transparenten am Bahnhof. Noch größer ist die Freude, als sie ihren Wunsch verkündet, der Kleinstadt eine Milliarde zu schenken. Entsetzen bricht erst aus, als sie eine Gegenleistung verlangt: ihr vor 30 Jahren gebrochenes Herz soll durch den Mord am Täter, dem ehemaligen Dandy Alfred III (Andreas Leupold) gerächt werden. Sie will sein "Herz zerquetscht" sehen - vorher gibt es auch kein Geld für die Gemeinde.


Foto: MGT Berlin

Die ostdeutsche Gier nach tollen Autos, Coca Cola und Pelzmänteln lässt nicht lange auf ihren Auftritt warten, die Solidarität, auf die man so stolz ist (denn damit hat man die Mauer zu Fall und sich selbst in die Freiheit gebracht), schwindet und Alfred fürchtet bald um sein Leben.

Christine Hoppe als Clara überzeugt vollkommen und lässt alle Seiten der Figur zu Wort kommen: mal ist sie die kaltherzige Milliardärin, die eine grotestke Hatz anzettelt, mal das verletzte Mädchen von früher, das immer noch in Alfred verliebt scheint. Im starken Kontrast zu den hektischen und verängstigt wirkenden Dorfbewohnern scheint sie, aus einer anderen Welt kommend, zwar anwesend, aber unbeteiligt, frei von allen Sorgen außer ihrer Rache, in einer Blase stets allein unter den Kleinstädtern zu wandeln. Nur Alfred, dem sie mit einer Mischung aus Zuneigung und Hass entgegentritt, kommt an sie heran; nur er kennt sie und sieht sie nicht als göttliches Wesen, das Farbe in das triste Ostdorf bringt.


Foto: David Baltzer für das Staatsschauspiel Dresden

Die Kostüme stechen in ästhetische Wunden, indem sie an nicht allzu längst vergangene Zeiten erinnern. Die musikalische Untermalung passt perfekt, die Videoprojektion ergänzt die Bühne um bewegte Bilder, ohne sie unter die Nase zu reiben. Das Bühnenbild erweist sich als recht unpraktisch für die Darsteller und der Trend, einen hinteren Teil der Bühne mit einer einen Kopf zu niedrigen Decke auszustatten, ist mir mittlerweile ohnehin zuwider und scheint allenfalls bei der Hälfte der Stücke, in denen er sich äußert, angebracht.
Alles in allem ein netter Abend, wunderbare Vorlage, sehr gute Inszenierung, obwohl mit einigen Längen ausgestattet.

Die nächsten Termine sind:
Staatsschauspiel Dresden: 14.01., 23.01. 31.01., 13.02. und 25.02. jeweils 19.30 Uhr
Maxim Gorki Theater Berlin: 29.01. 19.30 Uhr, 07.02. 18 Uhr, 23.02. 19.30 Uhr
--------------------------------------------------------------------------------
Der Besuch der alten dame auf der Seite des
Staatsschauspiels Dresden, auf der Seite des MGT Berlin

Keine Kommentare: