Ab morgen wird im Arsenal eine Art vorgezogene Jubiläumsveranstaltung für das Internationale Forum des jungen Films präsentiert. 40 Jahre alt wird das Forum, ursprünglich war es angetreten, eine politisch wie künstlerisch radikale Alternative zur großen Berlinale zu bieten. Das Programm im Arsenal mit dem Titel "Dialog mit Filmen - vier Jahrzehnte Forum" zeigt, wie weit sich die neue Generation der Forumsprogrammierer von diesen Ursprüngen entfernt hat. Die Differenz zur kosslickschen Eventkultur ist keine allzu große mehr, sie scheint inzwischen eher eine des bloßen Geschmacks als eine in der Sache zu sein.
Das Forum hat, insbesondere in den beiden ersten Jahrzehnten seiner Existenz, Filmgeschichte nicht nur dokumentiert und sichtbar gemacht, sondern durch seine Programmpolitik auch selbst geschrieben. Ende des letzten Jahres stieß ich anlässlich meiner Mitarbeit an einer Filmreihe im Zeughauskinos wiederholt auf das Filmarchiv der Freunde der deutschen Kinemathek, welches einen großen Teil aller im Forum aufgeführten Filme sammelt. Eine große Zahl von Raritäten aus den avancierten Kinematografien insbesondere Lateinamerikas und Asiens lagert in diesem Archiv, vergessene Meisterwerke des politischen Kinos wie des radikalen Autorenfilms.
Anstatt aber nun auch nur irgendwas aus diesem großartigen Archiv - und somit aus der eigenen Geschichte - zu machen, ist das Konzept der Jubiläumsveranstaltung folgendes: Einige mehr oder weniger lose mit dem Forum verbundener Regisseure kuratieren eine kleine Filmreihe aus Filmen, die in ihrer Mehrzahl im Forum uraufgeführt wurden. Die Regisseure werden dafür nach Berlin eingefogen (soweit sie, wie beispielsweise Angela Schanelec, nicht hier wohnen), zusätzlich kommen noch einige Regisseure der ausgewählten Filme.
Manchen mag es unsinnig vorkommen, sich darüber zu ärgern, wenn jemand Jia Zhang-ke nach Berlin holt (der kommt und er hat Nuri Bilge Ceylans schönen Debütfilm Kasaba ausgewählt). Und natürlich gehört zum speziellen Reiz jedes Filmfestivals der direkte Kontakt zu den Filmschaffenden. Aber rechtfertigt dies wirklich, für eine Vorführung von George Washington (auch das ein schöner Film, darum geht es nicht, sicherlich gehört er aber auch nicht zu den allerrelevantesten Filmen, die das Forum jemals im Programm gehabt hat) sowohl den Thailänder Adithya Assarat als auch den Regisseur des Films, David Gordon Green, einzufliegen? Letzterer dreht inzwischen Kifferfilme in Hollywood (auch die gefallen mir...) und ersterer hat bisher einen einzigen Wong-Kar-Wai-Verschnitt namens Wonderful Town abgeliefert (der Film hat mir wiederum ganz und gar nicht gefallen).
Entscheidend ist, dass "vier Jahrzehnte Forum" an sich zwar eine schön programmierte Filmreihe sein mag; Hou Hsiao-hsiens Dust in the Wind zumindest ist ein Meisterwerk, Souleymane Cisses Baara hat sicherlich jede Form von Aufmerksamkeit verdient. (wobei andererseits: warum Claire Denis' ja nun wirklich nicht gerade unsichtbarer Beau Travail? Der lief soweit ich weiß nicht einmal im Forum, Premiere hatte er zumindest in Vendedig... Und warum Kaurismäki? Und warum, wenn schon Kaurismäki, dann auch noch ausgerechnet den ebenfalls reichlich sichtbaren The Match Factory Girl?) Dem Anlass aber, den die Reihe schon im Titel trägt, wird das Ganze hinten und vorne nicht gerecht.
Wiederum einwende mag man hier, dass das Budget für die Filmreihe mit Sicherheit extrem begrenzt war. Aber Budgets sind immer begrenzt. Und hier scheinen mir einfach die Prioritäten nicht so recht zu stimmen. Wieviel mag alleine für die Aufführung von George Washington (inklusive Flugtickets für die Gäste) draufgegangen sein? Und die gerade mal eine Diskussionsveranstaltung, die das real existierende Programm vorsieht, rechtfertigt den Aufwand nun auch nicht wirklich. Ich wage zu behaupten, dass es bei anderer Prioritätenlage durchaus möglich gewesen wäre, das Arsenal einen ganzen oder wenigstens einen halben Monat lang mit echten Glanzstücken und Wiederentdeckungen aus den vier Jahrzehnten Forum zu bespielen (dem Arsenalprogramm würde so eine Reihe, erst recht, wenn sie eine klare filmhistorische Fokussierung aufgewiesen hätte, beileibe gut tun). Und / oder man hätte vielleicht sogar den einen oder anderen Film aus dem Archiv restaurieren lassen können. Denn auch das habe ich Ende letzten Jahres erfahren: Ein großer Teil dieser zumindest deutschlandweit einmaligen Filmsammlung befindet sich in einem alles anderem als gutem Zustand.
Auch dieser alles andere als gute Zustand hat zweifellos finanzielle Ursachen. Aber wenn das Forum nicht einmal anlässlich des eigenen Jubiläums Geschichtsbewusststein kommuniziert, wird sich auch so schnell niemand finden, der helfen könnte, diese missliche Lage zu beheben.
6 Kommentare:
ich bin hin- und hergerissen. einerseits teile ich deine kritik und argumentation vollauf; dass das arsenal die geschichte der mit dem arsenal assoziierten festivalgeschichte auch im alltagsgeschäft jenseits großer reihen kaum aufbereitet: warum nicht - nach vorbild der "magical history tour" (aus deren titel die zahl 365 nach dem relaunch geflissentlich gestrichen wurde...) - eine reguläre forumsreihe, sagen wir, um es nicht ausufern zu lassen, im wöchentlichen turnus, in der neben aus historisch-archäologischen gründen wichtigen highlights vor allem auch die vergessenen perlen (oder vielleicht besser: rohen diamanten) präsentiert werden?
andererseits aber - ich bin ja hin- und hergerissen - halte ich es auch für tendenziell fatal, anhand eines beschränkten budgets zu argumentieren. nicht die kostspieligkeit der reihenkonzeption ist ein argument, sondern die skandalös niedrige förderung des hauses, die es zusehens verunmöglicht, neben solchen (wo schon nicht lebensnotwendigen, so aber doch völlig unnötigen) prestige-reihen wie "40 jahre forum", gewagtere, ausführlichere experimente durchzuführen oder die eigene geschichtsschreibung präzise zu gewährleisten.
ansonsten macht man sich, so meine befürchtung, schnell zum gehilfen einer "divide & conquer"-strategie.
tschuldigung, korrektur:
das hier:
"(wo schon nicht lebensnotwendigen, so aber doch völlig unnötigen) "
soll heißen
"(wo schon nicht lebensnotwendigen, so aber doch /nicht/ völlig unnötigen)
"Wiederum einwende mag man hier, dass das Budget für die Filmreihe mit Sicherheit extrem begrenzt war. Aber Budgets sind immer begrenzt."
Nur hier ist das definitiv kein Argument: http://www.hauptstadtkulturfonds.berlin.de/index.php?id=248&no_cache=1&tx_nkhkf_pi1[category]=162
Und das ist denke ich auch ein Argument, wo man über die Frage, der angeblich skandalös niedrigen Förderung reden muss: sicher, man wünschte sich NOCH bessere Förderung, ABER: wenn man sieht wie schluderig vieles im Arsenal halt auch kuratiert ist (und es geht je eben nicht nur um diese Reihe) und wie willkürlich die Wahl zwischen Film und DVD als Vorführmaterial, dann wirft das schon Fragen auf. Einerseits Judex und Fantomas von DVD zu zeigen, trotz existierender, bezahlbarer Filmkopien und andererseits die rein sprachlich unverständlichen Free Cinema-Umfeld-Filme SATURDAY NIGHT... und LONELYNESS OF THE LONG-DISTANCE RUNNER in schlechten Filmkopien trotz einfach greifbarer toller DVD/BluRay Editionen ist schlicht stuss.
zuviele gedanken gleichzeitig. erster punkt förderung: was ich da eigentlich meinte: die direkte förderung des arsenal ist in der tat zu niedrig. andererseits kriegen die pro jahr mindestens zwei hochkarätige allein beim hskf durch. für die 68 reihe (die ebenfalls nur medioker war) war das sogar 6 stellig.
zweiter punkt: kuratierung. (das hatte ich ja ausgeführt).
nur weil das wie zuerst geschrieben in der tat unfair war.
@orcival danke für den Link zu den Förderungssumen, das bestätigt voll und ganz meine Einschätzung (nebenbei natürlich auch die fragwürdige Förderpraxis, von den vier Projekten ist mE einzig die Förderung fürs Jewish Film Festival gerechtfertigt, was könnte man mit dem Rest des Geldes alles für tolle Sachen machen...). 90.000 Euro für so ein Eventding... Ein Vielfaches des Budgets der - und das sage ich einmal ganz unbescheiden - mindestens zehnmal interessanteren Revolutionenreihe im Zeughauskino (so unglaublich viel Geld kostet gutes Kino nicht immer, teurer ist beim Arsenal, wage ich zu behaupten, oft das eher überflüssige Drumherum). Alleine mit den 90.000 hätte das Arsenal nicht einen, sondern drei Monate lang großartig bespielt werden können.
@Thomas natürlich ist die Kulturpolitik an sich ein noch größeres Ärgernis, dennoch kann man auch unabhängig davon eine bessere, sinnvollere Programmierung im Rahmen der real existierenden Büdgets einfordern. Auch wenn ich auf wenig Sach- oder sonstigen Verstand in der Senatsverwaltung und anderen kulturpolitischen Institutionen hoffe, ist das Verhältnis zwischen Programmqualität und Förderung vielleicht doch nicht ganz und ausschließlich ein einseitiges.
bzw ein unilineares oder so, you know what i mean...
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