(Gastbeitrag von Maximilian Linz zu Marguerite Duras' Le camion, der am 13.03. um 19:30 noch einmal im Kino Arsenal zu sehen ist)
In „Le Camion“ bespricht die Autorin Marguerite Duras mit dem Schauspieler Gérard Depardieu ein Drehbuch. Meist ist sie es, die liest, dann antwortet er, stellt knappe Fragen, auf die noch kürzere Antworten folgen, bis feststeht, dass sie sich verstanden haben.
Zwischen den Gesprächssequenzen fährt ein blauer Lastwagen über Land.
Der LKW steht im Zentrum des Films, in ihm ist das Kino: mit der blauen Plane, die sich durch die Landschaften schiebt wie eine mobile Leinwand, oder zeitgenössisch, ein Blue Screen, auf den die Ideen des Drehbuchs projiziert werden; durch die Windschutzscheibe, durch die man mit fixiertem Körper frei und geschützt in eine sich bewegende Welt schaut.
Das Buch, das die beiden vor sich haben, handelt von diesem Lastwagen, seinem Fahrer, den Depardieu spielen soll, und einer Auto-Stoppeuse, die der Psychatrie entlaufen ist, vom Ende des Marxismus und des Klassenkampfes, von zwei Filmfiguren und zwei Figuren des Films, Duras und Depardieu selbst. Über den Textseiten verflüssigen sich die Grenzen dessen, woran gearbeitet wird, wer über wen spricht, ein Film im Film scheint zu entstehen, das Ganze öffnet sich auf etwas, das selbst nicht in ihm ist, eine Möglichkeit, eine Utopie. Diese Möglichkeit meint nicht lediglich das Drehbuch, dessen ideale Existenzform seine Verfilmung ist, sondern ein über jeden potentiellen Film hinausweisendes utopisches Gut, das der photographischen Brechung an der Wirklichkeit, der erzählerischen Zwangsläufigkeit von Anfang Mitte und Ende, entgeht. Der LKW ist der Transporteur dieser utopischen Fracht eines sich niemals realisierenden Films, der Container einer nicht mehr möglich scheinenden Gesellschaft, der sie aufhebt und mitnimmt, wohin auch immer.
Maximilian Linz
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