4. März 2009

Wünschen sie sich Glück

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Der Geisterseher - Friedrich Schiller
Maxim Gorki Theater Berlin (Studio)
Regie: Antú Romero Nunes
Dramaturgie: Nina Rühmeier
Ausstattung: Julia Plickat
mit: Paul Schröder und Jirka Zett

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Treten Sie näher, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Denn hier gibt es endlich wirklich was zu sehen! Zwei junge Schauspieler zeigen Friedrich Schillers im Geiste der Romantik stehende Erzählung von 1787/88, die an das Leben des Alessandro Graf von Cagliostro angelehnt ist.
Sie erzählen die Geschichte gemeinsam ... nein, sie spielen sie ... nein, sie improvisieren sie und erfinden sie vor dem Publikum. Vielleicht spielen sie auch überhaupt nicht, vielleicht ist es echt. Streiten sie sich tatsächlich? Sagen sie sich wirklich gegenseitig ihren Text vor? Und was, wenn es doch eine echte Pistole ist?

Die Erzählung handelt von einem junger Mann, der das Leben genießt mit allem, was dazugehört: Reisen, Lounge, Sushi, Design. Als dritter Prinz hat er keine Hoffnung auf den Thron, also verprasst er das Geld der königlichen Kasse im Müßiggang.

Mitten in einem geräuschvollen Gewühl von Menschen ging er einsam

Während des Carnevals in Venedig gerät das Ganze ein wenig aus den Zügen. Inmitten von Masken, Spiel und Musik bricht eine mysteriöse Welt voller Geheimnisse, Zauberei und ein wenig Paranoia über den jungen Mann herein.
Der Prinz, der vorher "nur mit dem Herzen" sah, entdeckt andere Sinnesorgane und -gelüste. Nun ist er dauerbetrunken, Gewalt und Drogen füllen die Lücke, die Melancholie hinterlassen hat. Bis er erkennen muss, dass auch dieses Leben nicht seins ist und in einer Kirche einer Frau begegnet, die er vorher auf einem Bild gesehen hat...

Foto: Gorki Theater

Jedes einzelne Wort ist gelogen! Es ist alles einstudiert!

Entsprechend ist die Inszenierung auf einer Probebühne zu sehen, auf die man vorher durch Maske und Garderobe geführt wird. Licht und Ton gibt es nur auf Zuruf oder Handzeichen - Räume, die das Publikum eigentlich nicht zu sehen bekommt, Dinge, die zeigen, dass Theater doch eben nur Theater ist. Und gerade deswegen ist diese Inszenierung viel mehr als das: Ein Stück über Leidenschaft und Gewalt, Drogen und Dekadenz, Romantik und Aufklärung, Herrschaft und Knechtschaft und den Unterschied zwischen Religion und Glauben. Indem das Theater seine eigene Künstlichkeit thematisiert, stellt es diese in Frage, die Grenze zwischen Text, Improvisation und realen Personen schwindet. Es ist kein Trick, die Illusion wird aufgelöst, diesen Geist haben wir schon gesehen. Indem das Theater seine Grenzen überschreitet, gewinnt es den Zuschauer und ist ihm näher als es innerhalb der Grenzen je sein konnte. Im Geiste der Postmoderne erstrecken sich die an den mitdenkenden Menschen gerichteten Anspielungen von Disneyfilmen zum Leben in Berliner Hip-Bezirken.
Die beiden Schauspieler geben ihr Bestes und lassen den Zuschauer nicht nur lachen und weinen, sondern auch denken. Auf der kleinen schwarzen Bühne errichten sie alle erdenklichen Räume, zu zweit sind sie ein Jahrmarkt, eine Zaubershow, Freunde und Feinde und vor allem außerordentliche Darsteller.
Locker und souverän wird hier die über 200 Jahre alte Erzählung aktueller denn je präsentiert: Man glaubt, einen Bekannten in jeder Figur zu erkennen, denn es ist immer der Andere, den man im Drama sieht. Die Sprache der Inszenierung ist unsere eigene, Schillers umständliche Worte sind aber nicht zwanghaft in heutige Umgangssprache gepresst. Und eh man sich versieht, erstehen die Geister vor den Augen der Zuschauer.
Eine wunderbare Inszenierung nach allen Regeln der Kunst, aber frisch und anders zugleicht!

Dem Leser, der Geister hier zu sehen gehofft hat, versichre ich, daß noch welche kommen; aber er sieht selbst, daß sie bei einem so ungläubigen Menschen, als der Prinz dermalen noch ist, gar nicht angewandt sein würden.
Zitat Schiller


nächster Termin: 18.4. und 13.5. 20.15h und 2.6. 19.30h.

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