11. November 2009

Berlinale: Retrospektive Play It Again

Im November beginnt jedes Jahr das Pressemitteilungen-Bombardement der Berlinale. Heute: die Retrospektive. Erster Eindruck: naja...



PLAY IT AGAIN ...!
60 Jahre Berlinale – eine Retrospektive

1960 lief im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin ein Film, der mit allen filmischen Konventionen brach und die Kritiker sprachlos machte. Mit A bout de souffle (Außer Atem, Frankreich 1959/60) gelang dem jungen Godard nicht nur der internationale Durchbruch − der Einzug der Nouvelle Vague stellt rückblickend auch einen der markantesten Wendepunkte in der Geschichte des Festivals dar. Mit einem Streifzug durch 60 Jahre Berlinale-Vergangenheit bringt die Retrospektive PLAY IT AGAIN ...! Entdeckungen von einst auf die große Leinwand zurück und wirft exemplarisch Schlaglichter auf die Entwicklung des Festivals: von den ersten Dekaden, die im Zeichen des Kalten Kriegs standen, über die Öffnung für Filme aus sozialistischen Ländern bis hin zum Ende der politischen Teilung Europas, das das Festival vor rund 20 Jahren aus dem Balanceakt zwischen kultureller Offenheit und politischer Einflussnahme befreite. In den 1980er und 90er Jahren hatte sich die Berlinale als Plattform für das osteuropäische und asiatische Kino etabliert und in jüngster Vergangenheit stellte sie verstärkt deutsche Filme gleichberechtigt neben internationale Produktionen.

Die Retrospektive präsentiert die Vielfalt des Festivals mit rund 40 Filmen aus den Sektionen Wettbewerb, Forum, Panorama sowie Generation. Zusammengestellt hat das Programm der renommierte britische Filmkritiker David Thomson: „Ein Festival wie die Berlinale zeigt, wie umstrittene Filme von gestern zu den Klassikern von heute wurden. Daneben stelle ich Filme, die auch heute noch überraschen und provozieren, und freue mich auf angeregte Diskussionen in Berlin”, kommentiert der in den USA lebende Kurator seine Auswahl. Raritäten aus den Pionierjahren des Festivals wie Il Cristo proibito von Curzio Malaparte (Der verbotene Christus, Italien 1950/51), Fröken Julie von Alf Sjöberg (Fräulein Julie, Schweden 1950/51) und Ikiru von Akira Kurosawa (Einmal wirklich leben, Japan 1952) treffen auf Filme aus der jüngsten Dekade wie Niels Arden Oplevs Drømmen (Der Traum, Dänemark/Großbritannien 2005/06), eine ergreifende Vater-Sohn-Geschichte nicht nur für die junge Generation, und Paul Thomas Andersons Magnolia (USA 1999), der 2000 mit einem Goldenen Berliner Bären ausgezeichnet wurde. „Interessiert hat uns der Blick von außen: Welche Filme repräsentieren für den versierten Filmkenner David Thomson die Festivalgeschichte? Welche Filme sind in seiner persönlichen Erinnerung prägend gewesen? Seine Auswahl ist ein spannender Blick auf die Filmgeschichte“, sagt Berlinale-Direktor Dieter Kosslick.

„Von außergewöhnlicher Brisanz waren jene Filme, die die Festivalroutine aus politischen oder ästhetischen Gründen aus den Fugen geraten ließen und dadurch besonders im Gedächtnis geblieben sind“, ergänzt Rainer Rother, Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek und Leiter der Retrospektive.

Aufsehen erregte beispielsweise 1976 Nagisa Oshimas Ai no corrida (Im Reich der Sinne, Japan/Frankreich 1975/76): Nach der ersten Vorstellung des Films wurde die Kopie von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, und gegen den Leiter des Internationalen Forums des Jungen Films, Ulrich Gregor, wurde Anklage wegen „Verbreitung von Pornographie“ erhoben. Ebenfalls für Aufruhr sorgte 1979 Michael Ciminos Antikriegsdrama The Deer Hunter (Die durch die Hölle gehen, USA 1978). Als der Film trotz sowjetischen Protests im Wettbewerb gezeigt wurde, zogen mehrere sozialistische Länder ihre Filme aus dem Programm zurück, und ihre Delegationen reisten ab.
Zu David Thomsons Auswahl gehören auch Höhepunkte des europäischen Autorenkinos wie Werner Herzogs Spielfilmdebüt Lebenszeichen (BRD 1967/68) und Alain Tanners melancholisch-subtiler Film Dans la ville blanche (In der weißen Stadt, Schweiz/Polen 1982/83) sowie cineastische Glanzpunkte aus Asien wie Zhang Yimous Hong gaoliang (Rotes Kornfeld, 1987/88), der 1988 als erster Film aus der Volksrepublik China zu internationalen Festivalehren kam und mit einem Goldenen Berliner Bären ausgezeichnet wurde. Das komplette Filmprogramm der Retrospektive PLAY IT AGAIN …! wird Mitte Januar auf www.berlinale.de und www.deutsche-kinemathek.de veröffentlicht.

Die Filmvorführungen der Retrospektive finden im CinemaxX am Potsdamer Platz und im Zeughauskino statt. Das Filmprogramm wird durch eine Veranstaltungsreihe in der Deutschen Kinemathek ergänzt. Das Buch zur Retrospektive mit einem einleitenden Essay von David Thomson und zahlreichen Fotos erscheint als zweisprachige Ausgabe (deutsch und englisch) der Reihe „FilmHeft” im Berliner Verlag Bertz + Fischer. Ein umfangreicher Datenteil dokumentiert die zur Aufführung kommenden Filme mit detaillierten filmografischen Angaben und zeitgenössischen Festival-Kritiken. Die Retrospektive und die Publikation werden von der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen verantwortet.

2 Kommentare:

orcival hat gesagt…

"Erster Eindruck: naja..." - woher die plötzliche Milde? Das ist ja wohl vollkommen eklektisch. Aber vielleicht sollte ich mich auch auf Filmreihen unter dem Motto: "Filme, die ich schon immer mal sehen wollte" verlegen...

Lukas Foerster hat gesagt…

ich möchte hier ja auch nicht zum ewigen Berliner Kinonörgler avancieren, deshalb bin ich erst einmal vorsichtig. Deshalb erstmal: vollständiges Programm abwarten, das Konzept und die bisher benannten Filme (und überhaupt: Kurosawas "Ikiru" eine Rarität?) stimmen mich natürlich schon etwas skeptisch. Gegen Eklektizismus habe ich grundsätzlich nichts, wenn die Einzelbestandteile hinreichend interessant sind. Irgendwie bezweifele ich das hier ebenfalls erst einmal