Professor Unrat oder Das Edne eines Tyrannen - Heinrich Mann
Maxim Gorki Theater Berlin
Regie: Sebastian Baumgarten
Bühne: Alexander Wolf
Kostüme: Ellen Hofmann
Video: Stefan Bischof
Komposition: Christoph Clöser
Musik: Oliver Brand, Christoph Clöser, Jens Massel
Dramaturgie: Carmen Wolfram
mit: Kathi Angerer, Anika Baumann, Johann Jürgens, Stefan Konarske, Andreas Leupold, Ruth Reinecke, Leon Ullrich.
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Im wilhelminischen Deutschland schrieb Heinrich Mann 1904 seinen fünften Roman „Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen“, in dem er die Doppelmoral des Bürgertums modellhaft am Gymnasiallehrer Raat herausstellt. Im Kaiserreich wurde er totgeschwiegen, erst Josef von Sternbergs Verfilmung "Der Blaue Engel" im Jahr 1930 machte den Roman bekannt und Marlene Dietrich zur Ikone. Jetzt inszeniert der Opernregisseur Sebastian Baumgarten „Professor Unrat“ in Berlin.
Unrats Schüler (Anika Baumann, Johann Jürgens, Stefan Konarske) lässt er geradezu marionettenhaft in farbigen Westen über ihrer Bank hängen, auf die ihre Hefte projiziert werden. Der Bühnenboden ist eine Schultafel, für Unrat bedeutet sie die Welt: Die Stadt ist voller Schüler. Sie gilt es „zu fassen“, zu züchtigen und zu strafen. Unrat muss „es ihnen zeigen“.
Ihre Abende verbringen die Schüler im „Blauen Engel“, wo Rosa Fröhlich in anrüchiger Kleidung über Liebe und ihre Kollegin Guste in Uniformen übers Vaterland singt. Ob die Hasenköpfe, die sie hier tragen, die Zöglinge zu wilden Kaninchen oder zu unschuldigen Hasen machen, bleibt dem Publikum überlassen.
Auf der Suche nach jener „Künstlerin Fröhlich“, die seine Schüler zerstreut, verschlägt es auch Unrat an diesen Ort. Zunächst deplatziert, taucht er bald in die bunte Garderobenwelt ein und besucht die „Künstlerin“ – vorgeblich um die Sittlichkeit seiner Schüler besorgt – nun täglich. Er wird zu ihrem Ankleider, Maskenbildner und Cateringservice, bis er schließlich selbst ihre Schminke an- und seine Krawatte ablegt.
Rosa hat alles, was Unrat fehlt: sie ist jung und schön, anstatt in der Kammer zu lesen, tanzt, singt und trinkt sie, sie hat viele Verehrer, Affären, Geschenke und glitzernde Kleider. Auf der Suche nach Sicherheit und Macht heiratet sie Unrat. Alles endet im Untergang.
Im Haus Unrat wird bald gespielt, getanzt, getrunken und gewettet. Erst als der ehemalige Schüler und Feind Lohmann auftaucht, kann der entlassene Lehrer die Seitensprünge seiner Frau nicht mehr dulden. Der junge Dandy „kauft“ Rosa mit seiner dicken Brieftasche und steigt mit ihr in die häusliche Wanne. Während Unrat im Roman verhaftet wird, weil er Lohmanns Portemonnaie stiehlt, und er im Film in der Zwangsjacke aus dem „Blauen Engel“ abgeführt wird, tötet Baumgartens Unrat seine Frau nun in der Badewanne.
Zum Abschluss eine weitere von zahlreichen Videoprojektionen, mit denen die Bühne fortwährend bestrahlt wird: Zoom auf Schmetterlinge auf der Tapete, sie verwandeln sich in Autos, in Flugzeuge, Überblendung zum Luftkrieg. Das ist das pessimistische Statement, mit dem Baumgarten das Stück anreichern will: Der Kontroll- und Ordnungswahn, der bürgerliche Ernst und Militarismus des wilhelminischen Reichs musste im Ersten Weltkrieg gipfeln. Der Zweite, der den Luftkrieg erst richtig auskostete, speiste sich noch aus dem verletzten Stolz dieser Gesellschaft. Und heute?
Es gibt keine höhere Macht, die Unrat einsperrt: Der Freigeist stirbt, die Doppelmoral bleibt und hinter all dem liegt noch immer ein Stück Exotismus, Nationalismus und Dekadenz.
Kathi Angerer gibt eine kreischende Rosa Fröhlich, die im pinken Morgenmantel von ihrer ach, so niedlichen Tochter erzählt. Unverhofft zitiert sie zuweilen Schillers Jungfrau von Orleans – für Unrat das Sinnbild der Heldin. Ein kurzes "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ bleibt die einzige Reverenz an die Dietrich, weitere Spuren von ihr sucht man vergeblich: Baumgartens „Künstlerin Fröhlich“ ist nicht sexy, sie ist schrullig; ihre Nummern sind nicht erotisch, sondern grotesk und etwas ungelenk.
Andreas Leupolds Unrat ist fast zu selbstsicher geraten. Dessen Verfall zeigt sich mitunter an der Veränderung des zunächst hastig in Rosas Garderobe aufgetragenen Make-Ups, bis man sich schließlich an Gründgens‘ Mephisto erinnert fühlt.
Baumgartens Inszenierung ist so mit Verweisen gespickt, dass man es bald leid wird, sie zu verfolgen. Die zahlreichen Zitate – u.a. von Paul Gerhardt und Theodor Storm – fallen heraus und wirken aufgesagt. Trotz einiger schöner Ideen, reißt die Inszenierung nicht mit. Trotz oder wegen einer fast grenzwertigen Erzählgeschwindigkeit rauscht „Professor Unrat“ zum Großteil in lauter Videoprojektionen und Zitaten am Zuschauer vorbei.
Unrats Schüler (Anika Baumann, Johann Jürgens, Stefan Konarske) lässt er geradezu marionettenhaft in farbigen Westen über ihrer Bank hängen, auf die ihre Hefte projiziert werden. Der Bühnenboden ist eine Schultafel, für Unrat bedeutet sie die Welt: Die Stadt ist voller Schüler. Sie gilt es „zu fassen“, zu züchtigen und zu strafen. Unrat muss „es ihnen zeigen“.
Ihre Abende verbringen die Schüler im „Blauen Engel“, wo Rosa Fröhlich in anrüchiger Kleidung über Liebe und ihre Kollegin Guste in Uniformen übers Vaterland singt. Ob die Hasenköpfe, die sie hier tragen, die Zöglinge zu wilden Kaninchen oder zu unschuldigen Hasen machen, bleibt dem Publikum überlassen.
Auf der Suche nach jener „Künstlerin Fröhlich“, die seine Schüler zerstreut, verschlägt es auch Unrat an diesen Ort. Zunächst deplatziert, taucht er bald in die bunte Garderobenwelt ein und besucht die „Künstlerin“ – vorgeblich um die Sittlichkeit seiner Schüler besorgt – nun täglich. Er wird zu ihrem Ankleider, Maskenbildner und Cateringservice, bis er schließlich selbst ihre Schminke an- und seine Krawatte ablegt.
Rosa hat alles, was Unrat fehlt: sie ist jung und schön, anstatt in der Kammer zu lesen, tanzt, singt und trinkt sie, sie hat viele Verehrer, Affären, Geschenke und glitzernde Kleider. Auf der Suche nach Sicherheit und Macht heiratet sie Unrat. Alles endet im Untergang.
Im Haus Unrat wird bald gespielt, getanzt, getrunken und gewettet. Erst als der ehemalige Schüler und Feind Lohmann auftaucht, kann der entlassene Lehrer die Seitensprünge seiner Frau nicht mehr dulden. Der junge Dandy „kauft“ Rosa mit seiner dicken Brieftasche und steigt mit ihr in die häusliche Wanne. Während Unrat im Roman verhaftet wird, weil er Lohmanns Portemonnaie stiehlt, und er im Film in der Zwangsjacke aus dem „Blauen Engel“ abgeführt wird, tötet Baumgartens Unrat seine Frau nun in der Badewanne.
Zum Abschluss eine weitere von zahlreichen Videoprojektionen, mit denen die Bühne fortwährend bestrahlt wird: Zoom auf Schmetterlinge auf der Tapete, sie verwandeln sich in Autos, in Flugzeuge, Überblendung zum Luftkrieg. Das ist das pessimistische Statement, mit dem Baumgarten das Stück anreichern will: Der Kontroll- und Ordnungswahn, der bürgerliche Ernst und Militarismus des wilhelminischen Reichs musste im Ersten Weltkrieg gipfeln. Der Zweite, der den Luftkrieg erst richtig auskostete, speiste sich noch aus dem verletzten Stolz dieser Gesellschaft. Und heute?
Es gibt keine höhere Macht, die Unrat einsperrt: Der Freigeist stirbt, die Doppelmoral bleibt und hinter all dem liegt noch immer ein Stück Exotismus, Nationalismus und Dekadenz.
Kathi Angerer gibt eine kreischende Rosa Fröhlich, die im pinken Morgenmantel von ihrer ach, so niedlichen Tochter erzählt. Unverhofft zitiert sie zuweilen Schillers Jungfrau von Orleans – für Unrat das Sinnbild der Heldin. Ein kurzes "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ bleibt die einzige Reverenz an die Dietrich, weitere Spuren von ihr sucht man vergeblich: Baumgartens „Künstlerin Fröhlich“ ist nicht sexy, sie ist schrullig; ihre Nummern sind nicht erotisch, sondern grotesk und etwas ungelenk.
Andreas Leupolds Unrat ist fast zu selbstsicher geraten. Dessen Verfall zeigt sich mitunter an der Veränderung des zunächst hastig in Rosas Garderobe aufgetragenen Make-Ups, bis man sich schließlich an Gründgens‘ Mephisto erinnert fühlt.
Baumgartens Inszenierung ist so mit Verweisen gespickt, dass man es bald leid wird, sie zu verfolgen. Die zahlreichen Zitate – u.a. von Paul Gerhardt und Theodor Storm – fallen heraus und wirken aufgesagt. Trotz einiger schöner Ideen, reißt die Inszenierung nicht mit. Trotz oder wegen einer fast grenzwertigen Erzählgeschwindigkeit rauscht „Professor Unrat“ zum Großteil in lauter Videoprojektionen und Zitaten am Zuschauer vorbei.
Nächster Termin: 4.7. 19.30h
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