21. Mai 2009

Verdirb uns – wenn du darfst.

-------------------------------------------------------------------------------------------
Iphigenie auf Tauris - Johann Wolfgang von Goethe
Schaubühne
Regie: Jossi Wieler
Bühne: Jens Kilian
Kostüme: Anja Rabes
Musik: Biber Gullatz
Dramaturgie: Bernd Stegemann
Licht: Erich Schneider
mit: Thomas Bading, Judith Engel, Urs Jucker, Burghart Klaußner, Ernst Stötzner

-------------------------------------------------------------------------------------------
Eine aufsteigende Schräge mit einer quadratischen grünen Wiese darauf. An den Wänden große, schwarze Kacheln, oben zwei Eingänge, zwei Aufgänge an den Seiten, ebenda zwei Ausgänge - einer zur Stadt hin, einer zur Küste hin. Es ist der Heilige Hain der Artemis auf Tauris. Im Gegensatz zur quadratischen Wiese in diesem Stück, ist die quadratische Wiese in der Schaubühne echt und auf einer geneigten Ebene - im Gegensatz zur Picknickwiese in "Die Juden" ist diese Wiese der buchstäbliche, profanisierte Heilige Hain. Welche der beiden quadratischen Wiesen als originell gelten kann, ist eine andere Frage.

Jeder Kenner der griechischen Mythologie bzw. Tragödie weiß, was auf dem Hain in Tauris passiert - nachdem Agamemnon, auf dem Weg nach Troja, auf Bitten Artemis' hin seine Tochter zugunsten des segelspannenden Windes geopfert hat, wurde jene von der Göttin errettet und auf die Insel Tauris verfrachtet. Der Beweggrund der Jagdgöttin ist - wie es den griechischen Menschen-Göttern gut ansteht - der Eigennutz: zuerst, um Agamemnon zu testen und dann, damit seine überlebende Tochter Artemis als Priesterin dienen kann.

Hier muss die frustrierte Iphigenie (Judith Engel) ihr Dasein fristen - von Familie und Heimat getrennt, vom Vater für die Willkür der Götter ermordet. Vom Gesetz der Insel, jeden Fremden zu töten, blieb sie verschont, dafür stellt ihr der König (Burghart Klaußner), rausgeputzt wie ein neureicher Russe, nach. Die Königstochter wirkt wie eine Puppe, plump und steif, im hellblauen Glitzerkleidchen starrt sie vor sich hin und nörgelt gleichgültig. Eines Tages taucht ihr Bruder Orest (Ernst Stötzner) auf der Insel und sorgt vor allem für Verwunderung darüber, dass er als jüngerer Bruder älter ist, als der gemeinsame Vater sein könnte. Der Fluchtplan ist geschmiedet, der König wird überredet, sie gehen zu lassen, alles ist gut.

Dass diese Handlung bei Goethe durchaus einige hundert Seiten füllen kann, ist eine Sache. Hingegen ist es offensichtlich keine gute Idee, das Stück fast vollständig auszuspielen. Dies manifestiert sich nicht zuletzt darin, dass ca. 1/4 der Zuschauer den Saal vorzeitig verlässt.
Der Spannungsbogen wird genauso heruntererzählt wie die ausladende Familiengeschichte, mittels derer Iphigenie sich vorstellt und bei der sie drei Generationen zurückgreift. Die Entwicklung der Charaktere wird entweder ausgespart oder äußert sich höchstens in den Kostümen. So entwickeln sich jene der Iphigenie vom Püppchenkleid zum Hosenanzug, den sie im fünften Akt trägt, als sie die Gleichheit der Geschlechter postuliert. Das wiederum ist dem aufmerksamen Zuschauer fast schon auf brutale Weise ins Gesicht gerieben.
Das Spiel ist alles andere als fesselnd, die Verse des Dichters strömen vorüber und als am Ende das Licht erlischt, stehen Bruder und Schwester auf der grünen Wiese und halten die Hände. Ähnlich, wie hier zwei Menschen mit dem Gesicht zum Publikum ein Happy End demonstrieren, besteht die zweistündige Inszenierung vor allem aus Menschen, denen man dabie zusieht, wie sie ihre Verse aufsagen.


Die nächsten Termine sind: 25., 26 und 29.05., 20h
----------------------------------------------------------------------------------------
Iphignie auf Tauris im Volltext auf Projekt Gutenberg.
Iphigenie auf Tauris in der Schaubühne

Keine Kommentare: