2. April 2009

Ich bin ein Jude.

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Die Juden - Gotthold Ephraim Lessing
Berliner Ensemble
Regie: George Tabori
Dramaturgie: Hermann Beil
Bühne: Etienne Pluss
Kostüme: Margit Koppendorfer
Musik: Hans-Jörn Brandenburg
mit: Therese Affolter, Boris Jacoby, Hanna Jürgens, Christopher Nell, Michael Rothmann, Marko Schmidt, Axel Werner

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Das Tückische, das Ungewissenschafte, das Eigennützige, Betrug und Meineid, sollte man sehr deutlich aus ihren Augen zu lesen glauben.

Deswegen und weil alle Juden von Natur aus Räuber und Betrüger sind, mag der Baron sie nicht. Ein netter Reisender, der ihn vor Wegelagerern rettet, scheint ihm sympathisch und ein würdiger Zeitgenosse, dem eine Ehe mit seiner Tochter geradezu aufgezwungen werden kann. Denn der Baron hat

nie eine so aufrichtige, großmütige und gefällige Miene gefunden

wie die des Reisenden. Alles scheint gut, bis er gedrängt wird, seinen Stand, Hekunft und was man noch alles von einem Edelmann, dem man seine Tochter anvertrauen will, wissen sollte, zu verraten.

Ich bin ein Jude.

Nach einigem Schweigen will das Unbehagen trotz aller Höflichkeitsbekundungen nicht verfliegen. Nur des Reisenden Diener empört sich, als "ehrlicher Christ" einem Juden seine Dienste erwiesen zu haben, aber er will ihm dennoch weiter dienen, nachdem er zu dem Schluss kommt:

Es gibt wohl auch Juden, die keine Juden sind.

Und dabei bleibt es auch. Man hat sich versöhnt, alles ist anders, von Heirat ist keine Rede mehr. Die Christen stehen auf und gehen.
Der Jude, das schwarze Schaf zwischen den hell gekleideten, blonden Christen, bleibt allein sitzen und kommt auch mit einer Tasse Tee nicht darüber hinweg, dass diese nicht mehr schmeckt. Auf einer grünen Kunstwiese sitzt er allein vor dem verlassenen Silberservice.

An dem vom 20-jährigen Lessing verfassten "Lustspiel" ist wenig Text verändert worden. Immerhin wird ein obszönes Wort gesagt, was allerdings zu kaum mehr als einem kurzen Entsetzen einer älteren Dame im Publikum führt.
Auffallend ist Michael Rothmann als teilweise etwas Chaplin-artiger, lebensechter Christoph sowie die Musik von Hans-Jörn Brandenburg, die die Akustik der Schallplatte wieder ins Ohr ruft. Die gab es zwar erst 100 Jahre nach Lessing, aber immerhin klingt das Ganze irgendwie altertümlich und weckt ein Stück Nostalgie im Zuschauer. Die fehlende Versöhnung, die Lessing am Ende erfolgen lässt, ist inzwischen Standard geworden und auch sonst ist an der Inszenierung wenig Originelles zu finden. Abgesehen von der Leistung des Dichters bekommt man hier vor allem Schauspieler auf einer Bühne präsentiert.

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Die Juden im Volltext auf Projekt Gutenberg
Repertoire des Berliner Ensembles
Zitate aus: G.E.Lessing: Die Juden

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