28. Mai 2009

HIGHLIGHTS

Am Samstag, den 30. Mai 2009, wiederholt das Arsenal zwei der vielleicht sehenswertesten Arbeiten Werner Schroeters, die in der aktuellen Retrospektive gezeigt werden.


In POUSSIÈRES D’AMOUR (Abfallprodukte der Liebe, Frankreich 1996) lädt Schroeter Opernsängerinnen in eine mittelalterliche Location bei Paris, um mit Ihnen zu arbeiten und über Liebe, Leben und Tod zu sprechen. Der Film verbindet die entstehenden Ausschnitte aus den Arbeitsprozessen miteinander, die verschiedenen Passagen treten untereinander in einen Dialog, ein fortlaufendes Gespräch, das von Schroeter in die Umgebung integriert wird, die Wandelhallen des Klosters, die Türme von La Défense. Schnitt für Schnitt entsteht eine filmische Collage, rhythmisiert sowohl durch die Musik als auch durch die Kameraarbeit von Elfi Mikesch, die permanent Ihren Blick neu ausrichtet, in Beziehung tritt, zu dem was sie vorfindet, auf diese Weise immer präsent bleibt, immer anwesend im Bild. Wie Werner Schroeter selbst meistens durch seine Stimme, seine Regianweisungen präsent ist, oft sitzt er auch einfach irgendwo am Bildrand. Gleich am Anfang steht der Tonassistent mit seiner Angel neben dem Konzertflügel. Die Arbeit am Film wie die Arbeit an der Musik wird so als eine soziale, kommunikative Praxis sichtbar. Doch wird hier nichts entzaubert. Im Gegenteil: in der Art und Weise, in der Schroeter seine Stars vor die Kamera holt, entreißt er sie der ikonisierten Erstarrung der Diva und gibt Ihnen eine ungleich größere Würde zurück, die Möglichkeit, sich selbst als dass, zu dem sie einmal geworden waren, wieder zu begreifen, und sich mitzuteilen. Eine neue, nicht ganz zufällige Gemeinschaft entsteht, zwischen Filmemachern, Darstellern und dem von den Verstehensprozessen der Kausalität befreit zur Leinwand aufblickenden Publikum. Das Ende des Films, der Schluss allein rechtfertigt eine Retrospektive.

Zuvor zeigt das Arsenal Schroeters in Deutschland praktisch nicht rezipierten Spielfilm DEUX (Frankreich, 2002). Aus seinen Dokumentarfilmen POUSSIERES oder auch der GENERALPROBE (Frankreich, 1980) übernimmt er die keiner chronologischen oder kausalen Ordnung folgende Erzählweise. Der Film springt zwischen Schauplätzen in Portugal, Paris und Marseille und verschiedenen Epochen des zwanzigsten Jahrhunderts hin und her, im Zentrum eine von Isabelle Huppert gespielte Doppelfigur, eine eineiige Zwillingsschwester, die von ihrem Double nichts weiss. Die verschiedenden Bildräume setzt Schroeter immer wieder durch eigenartige Blicke in Beziehung: entlang der klassischen Blickachse konstruiert, obwohl sie andererseits unmögliche Anschlüsse darstellen. Schroeter demonstriert virtuos wie der Blick im Kino die Barrieren der Einheit von Ort, Zeit und Handlung überflüssig macht, sie überblickt, zu einem anderen Verständnis drängt, dass nicht an Wahrscheinlichkeit interessiert ist, eher an einer Wahrheit, die wie Schroeter selbst im Anschluss an die Vorstellung von DEUX letzte Woche Tschaikowsky zitierend sagte, im „unaufgehobenen Widerspruch von Schönheit und Schmerz“ entstehe. In DEUX wird diese Differenz verkörpert von Huppert, und offenbart sich in der Musik, einer Musikalität die Oper, Schlager und Lärm umfasst. Ob sich dem Publikum deswegen eine Wahrheit offenbart, ist ungewiss. Eine andere Erfahrung von Kino dagegen ist ihm sicher.

DEUX, am 30.05.2009 um 19:30, danach POUSSIERES D'AMOUR im Arsenal.

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