17. Februar 2009

Wer hat Angst?

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Wer hat Angst vor Virginia Woolf? - Edward Albee
Deutsches Theater Berlin (im Haus der Berliner Festspiele)
Regie: Jürgen Gosch
Bühne & Kostüme: Johannes Schütz
mit: Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Katharina Schmalenberg und Alexander Khuon

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Das für die Silly Symphony Three Little Pigs (1933) von Frank Churchill geschriebene Lied Who's afraid of the Big Bad Wolf? ist eines der berühmtesten Disney-Lieder. 1933, vier Jahre nach dem Schwarzen Donnerstag (oder Freitag) wurde es ein Gassenhauer während der Weltwirtschaftskrise.



Edward Albee modifizierte die berühmte Zeile als Titel für sein Stück Who's afraid of Virginia Woolf? (UA: 13.10.1962), indem er den Namen der britischen Schriftstellerin einsetzte. Vier Jahre später verfilmte Mike Nichols den Stoff mit Elizabeth Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen - der Film gewann zahlreiche Auszeichnungen, darunter auch einen Oscar für Liz Taylor.
2004 brachte Jürgen Gosch das Ehedrama, das 1963 seine Deutschlandpremiere am Berliner Schloßtheater erlebte, im DT auf die Bühne.


Ein Ehepaar um die 45 kommt von Papas Party - denn ihr Vater ist Rektor des College, Brötchengeber und Chef in allen Lebenslagen - nach Hause und sie erwarten noch Gäste. Genauer: Martha (Corinna Harfouch) erwartet noch Gäste - ein junges Paar, das sie ohne Georges (Ulrich Matthes) Wissen eingeladen hat, weil Papa sagte, sie sollen nett zu ihnen sein. Man ist schon recht betrunken und gerät in eine kleinere Auseinandersetzung und gerade als sie "Fick dich!" ruft, kommen die fröhlichen Gäste herein:
Ein gutaussehener, erfolgreicher Biologe namens Nick (Alexander Khuon), der seine Sandkastenfreundin geheiratet hat, weil man dachte, sie sei schwanger. Selbige - Honey genannt (Katharina Schmalenberg) - ist eine überdrehte, tanzwütige und leicht dümmlich-naive Frau, die immer nur Brandy pur trinkt, um anschließend zu kotzen, weiterzutrinken und wieder zu kotzen.

Man trinkt und unterhält sich über die wichtigen Dinge im Leben: Familie, Kinder, Karriere. Wer von den Anwesenden eigentlich was davon hat, was davon braucht und was davon will, ist vor allem den Figuren selbst unklar. Letztendlich spielt das auch keine Rolle, denn jeder erzählt ohnehin nur seine eigene Geschichte und eigentlich kann man den Gesprächspartern gar nicht ausstehen.
Beide Ehen wirken recht erschreckend, während Martha und George jedoch genau wissen, wo man den anderen schlagen kann und dies ausgiebig tun, redet die jüngere Frau ihren Mann noch mit "Schatz" an. Man spricht noch nicht in der dritten Person vom anwesenden Ehepartner und versucht nicht permanent, ihn vor den Gästen - und allen voran vor ihr/ihm selbst - bloßzustellen. Der Ruf und die Manieren sind schnell vergessen, aus Sehen Sie sich vor! wird schnell Sie dich vor!, während es immer nur Nick ist, der Warnungen ausspricht, um seine Frau zu verteidigen. Diese ist ja auch schmalhüftig und verfällt in einen Ekelanfall, weil ihr Mann das "F..."-Wort benutzt hat. Als einzigen Ausweg aus der Situation ergreift Honey die Möglichkeit, immer mehr zu trinken, um sich nicht an das Verhalten ihres Mannes - vor allem nicht an sein Interesse an einer selbstbewussten Frau - zu erinnern.


Das Bühnenbild von Johannes Schütz zeigt eine schwarze, nackte Bühne (wie ungünstig, dass das letzte Stück, das ich am DT gesehen habe, das gleiche Mittel anwenden wollte) mit einem Tisch, fünf Stühlen und einem dünnen weißen dreidimensionalen Rahmen herum. Die Figuren sitzen hier in einem Würfel - zu fein, um ein Käfig zu sein, aber dennoch vorhanden. Die Gesellschaft löst sich schnell in einem Gelage auf, der Tisch wird zur Bar umfunktioniert und will nicht mehr so recht in seine traditionelle Rolle zurückkehren. Die Figuren tun es schließlich auch nicht.

Die Inszenierung ist voller Energie - schwankend zwischen Sex und Gewalt, gerichtet gegen alle und niemanden. Das brillante Spiel (v.a. von Corinna Harfouch und Ulrich Matthes) erhält das Stück am Leben, die Darsteller sind präsent und überzeugend - die Figuren sind typisch, ohne klischeehaft zu wirken. Sie zeigen Verzweiflung, aber keine Resignation. Sie kämpfen miteinander und verzweifeln ohne einander.
Fotos: DT

Die nächsten Termine sind: 19.2. und 1.3.2009 jeweils 19.30h

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