Am Freitag zeigt das Arsenal im Rahmen der Reihe Archiv möglicher Zukunft eine sehenswerte Arbeit des jungen französischen Filmemachers Raphael Grisey (mit dem ich, das sei hiermit offengelegt, bekannt bin). Cooperative ist experimenteller Dokumentarfilm im Splitscreen-Format über eine agrarische Genossenschaft in Mali, die in den 1970er Jahren von einer Gruppe afrikanischer Rückkehrer gegründet wurde. Von Anbeginn vermischten sich existenzielle mit politischen Beweggründen: Die Emigration nach Frankreich war für viele in die Sackgasse des Lohnsklaventums gemündet, das Versprechen von „Françafrique“ hatte an Zugkraft eingebüßt. Infolge kehrten die Begründer der Kooperative nicht nur dem offiziellen Frankreich, sondern auch dem Marxismus-Leninismus der französischen radikalen Linken den Rücken, worin sie eine vorübergehende Heimat gefunden hatten.
Grisey macht interessanten Gebrauch vom Splitscreen: Keine einzelne Logik zieht sich durch die Anordnung der beiden Bildschirmflächen, sondern es verbindet oder trennt sie eine Vielzahl beweglicher Scharniere. Zwei Kameras, die auf den selben Gegenstand gerichtet sind, finden sich ebenso wie weit auseinander liegende Sujets, räumlich und zeitlich. Manchmal scheint die Verbindung ihre Inspiration aus rein piktorialen Erwägungen zu ziehen, etwas wenn links eine Tonne zu sehen ist, aus der ein Mädchen Bücher fischt, und rechts – vermutlich – der Schacht eines Brunnens. Beide Sujets in Draufsicht ähneln einander, und wenn das Mädchen die Titel der Bücher laut entziffert, hallt ihre Stimme, als säße sie am Grund des Brunnens. An anderer Stelle geht es um das globalisierte Nebeneinander des Inkommensurablen: Das Bild einer Gruppe afrikanischer Landarbeiter auf dem Weg zum Feld und jenes französischer Gewerkschafter (CGT) beim Protestmarsch durch eine Pariser Allee ähneln einander im Bewegungsvektor und dessen Mitvollzug durch die im Schnitt synchronisierten Kameraschwenks, ohne dass sich daraus weitere Ähnlichkeiten, und daran anschließend Thesen etc., ergäben.
Der Film navigiert – anhand mehrerer Erzählstimmen, die nicht immer klar zuordenbar sind – zwischen berichteter (und selten über Fotografien vermittelter) Vergangenheit und der Gegenwart der Dreharbeiten in Paris und Mali. Die Kooperative existiert immer noch, Bouba Touré, einer ihrer Gründerväter, zieht es trotzdem vor, in Paris zu leben. Flankierend wird Tourés 58 rue Trousseau, 75011 Paris, France gezeigt, ein sehr persönliches Zeugnis der langen 1960er Jahre aus der Perspektive eines Zerrissenen. Während er die Wände seiner Pariser Wohnung, die mit Fotos, Zeitungsausschnitten und anderen Zeitdokumenten zugepflastert ist, mit einer Digicam abfilmt, beschwört er Namen, Ereignisse und Lehren aus den politischen Kämpfen jener Zeit: Wie Tourés Duktus einzelne Satzteile in rhythmischer Wiederholung zu mahnenden Slogans ausgestaltet, entfaltet einen mindestens ebenso hypnotischen Sog wie die emphatische Erzählstimme aus den Filmtagebüchern von Jonas Mekas.
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