26. Oktober 2009

Ein Pfund Langeweile

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Der Kaufmann von Venedig - William Shakespeare
Maxim Gorki Theater Berlin
Regie: Armin Petras
Bühne: Natascha von Steiger
Kostüme: Aino Laberenz
Dramaturgie: Carmen Wolfram
mit: Julischka Eichel, Sarah Franke, Marie-Theres Hölig, Peter Jordan, Julia Karner, Michael Klammer, Cristin König, Ronald Kukulies, Andreas Leupold, Julia-Regina Rappenecker, Sabine Waibel, Regine Zimmermann

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Armin Petras' Inszenierung von Shakespeares Klassiker schleppte sich gestern durch die eigene Premiere.
Eine Überflussgesellschaft mit goldenen Kleidern und Champagnergläsern in der Hand; teure Anzüge und anzügliche Kostüme. Nur Lanzelot (Peter Jordan), ein illegaler Einwanderer, stört das Bild mit seiner einfachen Kleidung und seinem zerzausten Haar. Schon schimpft er drauflos, halb italienisch, halb deutsch udn halb englisch redet er wild vor sich hin - auch, wenn die Bühne schon leer ist und das Publikum dessen, was zu Beginn zum Lachen anregte, schon überdrüssig ist.

Someday you wake up - and life is over.

Hier, in Venedig, inmitten der Schönen und Reichen, der Kern der Geschichte: ein Jude und ein Christ, Gläubiger und Schuldner, im Streit. Beide hassen einander um des Hasses willen, der Christ beleidigt den Juden, der Jude sinnt auf Rache. Die nächste Geldsumme wird bei Überziehung der Leihfrist mit Biomasse bezahlt - ein Pfund Fleisch vom Körper des Christen, der sich selbstsicher auf das fragwürdige Geschäft einlässt.

Laßt uns ein volles Pfund von Eurem Fleisch zur Buße setzen, das ich schneiden dürfe aus welchem Teil von Eurem Leib ich will.

Eine zusätzliche Dimension erhalten die beiden Widersacher durch ihre Besetzung: der Christ ist eine Frau (Cristin König). Der Jude auch (Regine Zimmermann). Ein Feuerwerk, das mehrfach zu hören ist, klingt ein Mal wie Gewehrschüsse - dazu zuckt Regine Zimmermann als würde sie durchlöchert. Eine vage Erinnerung an die Erschießungen im NS-Deutschland?

Willkürlich in die Taschen der Schauspieler gesteckte Mobiltelefone sollen das Geschehen in die jetztzeit übertragen. Demselben Zweck dienen wohl auch die wahllos fetzenzhaft eingespielten italienischen Liebeslieder und die [immerhin an die "Romeo und Julia"-Inszenierung am MGT erinnernde] deutschen Rappassagen. Alles in allem will hier alles nicht so recht passen. Die teilweise (oder auch komplett) transparenten Kostüme der Frauen wirken etwas seltsam deplatziert, die Musik nervt irgenwann einfach. Das Bühnenbild - ein Portal mit der Aufschrift "dolce", das mit Spanplatten verschlossen ist, im vorderen Teil ist venezianisches "Hochwasser", so dass die Schauspieler dort knöcheltief im Nassen waten - versucht etwas, das ihm nicht ansatzweise gelingt. Auch wenn die Aufschrift später durch ein heruntefallendes Transparent in "lindo" geändert wird, wird die Bühne dadurch nicht aussagekräftiger. Ästhetisch ohnehin nicht ansprechend - immehin muss man die Bühne 2,5 Stunden lang ansehen - wird das Ganze durch die knallgrüne Folie zur Abdichtung noch verschlimmert.

Dem Stück scheint die Inszenierung insgesamt nicht gerecht zu werden, vieles geht unter, anderes ist so ausgewalzt, dass die Darsteller selbst sich zu langweilen scheinen. Bemerkenswert ist Julischka Eichel als Jessica, die ganz nebenbei eigentliche Hauptfiguren in den Schatten stellt. Lanzelot ist ein wenig als Possenreißer missbraucht und scheint zum Teil Zeit zu schinden, die jemand anderes zum Umziehen braucht. Alles in allem eine recht unangenehme Inszenierung, die damit allerdings nicht die Stimmung des Stücks vermittelt und auch durch die Leistung der Schauspieler nicht gerettet werden kann.

Die nächsten Termine sind: 17. und 22.11. jeweils 19.30 Uhr.
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Der Kaufmann von Venedig im Volltext auf Projekt Gutenberg
Der Kaufmann von Venedig auf der Seite des MGT

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