Morgen Sonntag zeigt das Arsenal im Rahmen der Magical History Tour Douglas Sirks All That Heaven Allows, ein Melodram über eine unbotmäßige Liebesaffäre, die eine Kleinstadtgemeinschaft skandalisiert, mit Rock Hudson als Gärtner/thoreauistischer Revolutionär und Jane Wyman als Witwe aus der Oberschicht, die sich nach diesem Pfundskerl verzehrt. Wie in den meisten von Sirks doppelbödigen Augenweiden geht es auch hier um ein repressives soziales Umfeld – in diesem Fall eine als typisch ausgeschilderte Kleinstadt, bevölkert von Freunden, Nachbarn und den unvermeidlichen Dorfhonoratioren: Ein Fingerzeig auf das zeitgenössische Wachstum Suburbias und die mit dieser Lebenswelt verknüpfte sittliche Einengung.
Was Sirks Umgang mit diesem Thema auszeichnet, ist, dass die Repression in seinen Filmen eine geradezu materielle Präsenz erlangt. Man beachte wie in entscheidenden Momenten von All That Heaven Allows Setarchitektur und Mise-en-scène Figuren einkesseln und ihre Bewegung bzw. Bewegungslosigkeit vorzeichnen.
Eine weitere Besonderheit ist Sirks Charakterisierung der Frauenfiguren, über die Fanboy Rainer Werner Fassbinder einmal geschrieben hat (ich zitiere aus einer englischen Übersetzung): „In Douglas Sirk’s movies the women think. I haven’t noticed that with any other director. With any. Usually the women just react, do the things women do, and here they actually think. That’s something you’ve got to see.“ Dass Sirk Fassbinder nachhaltig faszinierte, wird unter anderem in der Lichtsetzung und in den Farbschemata von Fassbinders späten Filmen augenfällig, worin sich dasselbe Aufeinanderprallen von Blau und Tiefrot findet wie in All That Heaven Allows.
Es herrscht einige Uneinigkeit unter Sirk-Auslegern, ob seinen Melodramen so etwas wie eine ironische Kehrseite eingebaut ist, die es uns ermöglichen soll, kritische Distanz zum Handeln der Figuren und der es fundierenden Ideologie zu gewinnen. Manche gehen so weit, diesen Zug mit Brechts epischem Theater in Verbindung zu bringen. Sirk selbst wurde mit diesem Verdikt Zeit seines Lebens nicht glücklich. Wer morgen Abend im Arsenal weint, muss sich also nicht schämen.
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